Am 30.04.2008 fand im Alten Rathaus in Potsdam ein erstes Round-Table-Gespräch zum Thema “Familienpolitik und frühe Hilfen – Frühförderung als Chance für Familien” statt.
Veranstaltet hatten diesen Termin die Vereinigung für interdisziplinäre Frühförderung (VIFF) – Ländervereinigung Berlin-Brandenburg und die Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Sozialpädiatrische Zentren Brandenburg.
Der Einladung gefolgt waren ca. 30 interessierte Vertreter aus Politik (Ministerien Brandenburg, Landkreistag, Landtagsfraktionen), regionalen Ämtern und der Praxis (Träger, Geschäftsführer sowie LeiterInnen von Frühförderstellen und Sozialpädiatrischen Zentren), der Krankenkassenverbände und eines Trägerverbandes und die Leiterin der Überregionalen Arbeitsstelle Frühförderung Brandenburg.
Dr. Andrea Herpolsheimer begrüßte im Namen beider Veranstalter und wies auf die Intention der Organisatoren dieser Veranstaltung hin:
Frühförderangebote im Land Brandenburg haben neben den Aufgaben der Früherkennung, Förderung und Behandlung auch in Erziehung und Begleitung einen großen Schwerpunkt. Sie nehmen eine Schlüsselfunktion in der Koordination und Vernetzung ein.
Die Zunahme von Kindeswohlgefährdungen und Entwicklungsauffälligkeiten zeigt uns deutlich, wie dringend es erforderlich ist, einen verstärkten Austausch mit Beteiligten aus unterschiedlichen Bereichen und Ebenen zu führen und Anstrengungen zur weiteren Vernetzung zu tätigen.
Die Moderation des Tages übernahm Siegfried Zoels – Vorsitzender der VIFF, LV Bln.-Brbg.
Die zusammengetragenen Erwartungshaltungen der Gäste waren breit gefächert:
• gegenseitiges Kennen lernen, Informieren, Unterstützen und Vernetzung schaffen zwischen Politik und Praxis, Kostenträgern und Leistungserbringern bei den verschiedenen Angebotsformen
• Erreichbarkeit von problembelasteten Familien (Niedrigschwelligkeit, kurze Wege, schnelle Hilfe)
• Vielfalt der Hilfen (wer macht inhaltlich was, Begrifflichkeiten klären, neue Projekte und bestehende Hilfesysteme, Vernetzung untereinander, auch über einzelne Amtsbereiche hinaus)
Eine Einführung in das Thema „Frühe Hilfen“ gab ein Vortrag von Prof. Dr. Hans Weiß (Reutlingen), der aufgrund von Krankheit in Auszügen von Lutwin Temmes (VIFF, LV Bln.-Brbg.) vorgelesen wurde. (siehe Anlage)
Detailliert erhielten wir Informationen zu Kindern in Armutslagen und mit psychosozialen Risiken in Deutschland. Unter dem Aspekt „Was brauchen Kinder in Armutslagen für ihre Entwicklung?“ äußert Prof. Weiß, dass sowohl Home-basic-Förderung (= Förderung im häuslichen Bereich) als auch Center-basic-Förderung (= Förderung in Institutionen) wichtige Hilfesysteme sind.
Einen Einblick in die Situation im Land Brandenburg gab uns Gitta Pötter von der Überregionalen Arbeitsstelle Frühförderung Brandenburg.
Anhand von Daten, die vom Landesgesundheitsamt erfasst worden waren, war der Zusammenhang zwischen Sozialstatus und dem Besuch einer Kindertagesstätte, der Beteiligung an kinderärztlichen Vorsorge-Untersuchungen oder dem Bedarf an Frühförderung deutlich zu erkennen.
Durch die Arbeitsprinzipien Mobilität, Ganzheitlichkeit und Familienorientierung leisten Frühförderstellen ihren Beitrag innerhalb der „Frühen Hilfen“, schwierige Situationen in Familien zu erkennen.
Hier ist im Land Brandenburg eine weitere Vernetzung notwendig, was durch einen Landtagsbeschluss „Lokale Netzwerke Gesunde Kinder“ bekräftigt wird.
In der anschließenden Diskussion wurden schon vorhandene gut funktionierende Hilfen und Strukturen in den verschiedenen Landkreisen/Städten vorgestellt und Knackpunkte oder Schwierigkeiten benannt.
Dies waren insbesondere:
• Eine erschwerte Kooperation zwischen den beteiligten Ämtern und Institutionen durch unterschiedliche Regularien und Schubladen-Denken besteht. Es wurde von Teilnehmern gewünscht, dass z.B. das Jugendamt seine eigenen Strukturen stärker für die Vernetzung öffnet, um die Niedrigschwelligkeit für Familien zu gewährleisten.
• Viele Netzwerke sind in den verschiedenen Regionen schon tätig (die „Lokalen Netzwerke Gesunde Kinder“, das Bündnis für Familien, Regionale Arbeitskreise und andere), weitere sind geplant.
Frage war hier, wie feste Strukturen und Kontinuität in den Netzwerken weiter gefördert werden können, auch wenn vorhandene Institutionen unter enger werdenden Bedingungen arbeiten müssen und für vielfältige Projekte mit Modellfinanzierung die Wirksamkeit und der Fortbestand noch in Frage gestellt sind.
Die Tatsache, dass Netzwerke aus Angeboten unterschiedlichster Art bestehen, erfordert daher auch ressourcenübergreifendes Denken in den Ämtern und in den Ministerien. Wie kann eine gelungene Mischfinanzierung sichergestellt werden?
• Fragen der Erreichbarkeit von Problemfamilien: Dazu gab es positive Beispiele aus:
1. Kindertagesstätten,
2. Kinder- und Jugendgesundheitsdienst in Kooperation mit dem Sozialpsychiatrischen Dienst und
3. niedrigschwellige und aufsuchende Angebote der Frühförderung
Problematisch erscheint in diesem Zusammenhang das Kita-Gesetz in Brandenburg. Von Abgeordneten wird darauf hingewiesen, dass in Vorbereitung der Novellierung des Gesetzes einige Punkte verändert werden sollen.
• Fragen zur Früherkennung und Prävention:
Wie sind „Frühe Hilfen“ möglich, wenn Kinder erst bei Vorliegen einer (drohenden) Behinderung Förderung erhalten und erschwerte Lebensbedingungen / Armut allein nicht als Risiko einer (drohenden) Behinderung gesehen werden?
Als wichtig wurde die Einbindung frühester Kontaktpersonen in die Netzwerke angesehen (Familienhebammen, Kinderärzte). Ab Juni 2008 wird es im Land Brandenburg ein Einladesystem zu den Vorsorge-Untersuchungen geben.
Abschließend fassten die Abgeordneten der Fraktionen zusammen, dass die heutige Round-Table-Diskussion ihnen wichtige Impulse und Informationen für ihre politische Arbeit gibt.
Bezug nehmend auf die Aussage „Kinder unter Risikobedingungen sind Risikokinder“ fasste Herr Zoels zukünftige Arbeitsschwerpunkte zusammen:
1. Notwendigkeit von festen Strukturen in der Kooperation
2. Sicherung der Finanzierung (nicht nur Projektfinanzierung)
3. Prävention
4. Veränderungen im Kita-Gesetz
5. Einbeziehung von Schulen
Gemeinsam verabredetes Ziel aller Beteiligten am Ende dieses Round-Table-Gespräches war es, eine ähnliche Runde zum Thema „Übergang in die Schule“ folgen zu lassen.
Viola Hübl
Protokollantin
Anlagen
Vortrag Prof. Hans Weiß (hier)
Vortrag Gitta Pötter (hier)